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Lebenszyklen – Sturm und Drang und Veränderung

Serie Lebenszyklen – Die Jugend

 

Was ist die Jugend? Diese Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach. Die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsenalter ist geprägt von intensiven Erfahrungen und Veränderungen, die die jungen Menschen weiter in die Gesellschaft hineintragen.

Eine lächelnde junge Person mit blonden Haaren, Kopfhörern, einem blau karierten Hemd und einem grauen Rucksack geht auf einem städtischen Bürgersteig, während sie über die Schulter zurückblickt - und fängt so den Geist der Veränderung inmitten der geschäftigen urbanen Lebenszyklen ein.

Wann ist man ein Jugendlicher?

Biologisch gesehen beginnt die Jugend mit der Geschlechtsreife, welche bei jedem*jeder aber sehr individuell einsetzt und verläuft. Rechtlich wird diese Lebensphase ab 14 mit der Strafmündigkeit begonnen und gilt bis zum 18. Lebensjahr. Allgemeinhin schließt man in die Definition von „Jugend“ aber auch schon Heranwachsende ab 12 Jahren ein.

Lange Bildungswege, der spätere Eintritt in ein festes Erwerbsverhältnis sowie die hinausgeschobene Familiengründung haben dazu geführt, dass in den letzten Jahren die Phase der Jugend auch noch Personen bis 29, 30 oder gar bis 35 Jahren in die Definition einschließt. Die Grenzen zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter sind inzwischen fließend und besonders die Jugendzeit hat sich sehr verlängert.

Eine Gruppe von Studenten sitzt in einem Klassenzimmer um einen Tisch herum, redet und lernt gemeinsam. Inmitten von Notebooks und Laptops diskutieren sie über Ideen der Veränderung, während im Hintergrund das Sonnenlicht durch große Fenster strömt.

Ein junges Konzept

Die Jugend als eigene Lebensphase ist ein erstaunlich junges Konzept. Der Begriff ist erst seit dem 19. Jahrhundert überliefert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts manifestierte sich der Jugendbegriff vor allem in den zahlreichen Jugendbewegungen. Langsam entwickelte sich die Jugend dann zu einer eigenen Lebensphase mit spezifischen Merkmalen. Das lag auch am Wandel der Berufs- und Bildungslandschaft.

In der Agrargesellschaft bekamen junge Menschen von ihren Eltern alles Nötige für ein meist bescheidenes Leben auf dem Bauernhof beigebracht. Während der Industrialisierung weiteten sich aber die Berufsmöglichkeiten aus und machten in der Folge eine längere und außerhäusliche Bildung nötig. Eine kontinuierliche Verlängerung der Bildungswege trug zur weiteren Unabhängigkeit der jungen Generationen bei. Das Konzept der Jugend als eigenständiger Lebensabschnitt entwickelte sich also vor allem aufgrund der Notwendigkeit von mehr Bildung.

Eine junge Frau mit langen Haaren lehnt mit dem Kopf und dem Arm an einem Fenster und blickt mit einem nachdenklichen, traurigen Ausdruck nach draußen. Sie trägt ein weißes Hemd und scheint in tiefes Nachdenken über Lebenszyklen und Veränderung versunken zu sein.

Zeiten des Umbruchs

Die Jugendphase ist eine Zeit des Wandels. Der Körper verändert sich und langsam verlagert sich der emotionale und soziale Aktionsschwerpunkt von der Kernfamilie nach außen, in die Peer-Group. Die Freund*innen geben Rat und sind Vorbild. Die vielen Veränderungen in diesen Jahren rufen oft auch Verunsicherung und Ängste hervor, unter denen Jugendliche sehr leiden können. Mobbing via Social Media, die Angst, in der Gruppe nicht dazuzugehören und der Druck durch Schönheitsideale tun ihr Übriges. Dazu kommen existenzielle Fragen: Wer bin ich, wer will ich sein, wohin will ich in meinem Leben?

Integration in die Erwachsenenwelt

In der Jugend entwickeln die Heranwachsenden auch ihre eigenen Werte. Sie kommen mit einem unverstellten Blick in die Gesellschaft und beginnen, abstrakter und zusammenhängender zu denken. Sie nehmen ganz genau wahr, wie die Erwachsenen ihr (Zusammen-) Leben gestalten und welche gesellschaftlichen Problematiken es gibt.

Ein junger Mann steht an einem Treppengeländer und schaut auf sein Handy, während mehrere Menschen in einem belebten Flur an ihm vorbeilaufen. Der unscharfe Bewegungseffekt fängt die Veränderung und Energie der stürmischen Lebenszyklen ein.

Man darf nicht vergessen, dass jede Generation von Jugendlichen in einem ganz individuellen Umfeld groß wird, das sich von dem der nächsten schon wieder unterscheidet. So wuchs in einer Familie die älteste Schwester noch in einem geteilten Deutschland des Kalten Krieges auf. Für das nächste Geschwisterchen war die Einheit bereits selbstverständlich. Der 11. September 2001, die darauf folgenden Konflikte sowie die Finanzkrise prägten die öffentlichen Debatten in dieser Jugend. Das ist schon Geschichtsbuchstoff für den Nachzögling. Er wächst mit Smartphones, Apps und dem Internet auf. Der Klimawandel und Flüchtlingsdebatten sind heute die großen Nachrichten der Zeitungen.

Die Problematiken ihres jeweiligen Umfelds nehmen Jugendliche oft sehr akribisch wahr: Sie stoßen sich daran, äußern ihre Bedenken sehr direkt und zwingen die Gesellschaft so dazu, Stellung zu beziehen. Die Erwachsenen nehmen das als Rebellion wahr, dabei definieren die Jugendlichen damit ihren ganz eigenen Wertekanon.

Eine Person hält bei einer Klimaprotestaktion ein Pappschild mit einer Zeichnung der Erde und großen SOS-Buchstaben, die den Sturm und Drang der Bewegung widerspiegeln. Im Hintergrund sind weitere Schilder und Menschen zu sehen.

In der Tat ist es aber auch das, was die Entwicklungen und Veränderungen in unserer Gesellschaft wie ein Motor vorantreibt und hilft, Neues zu verankern. So stellt auch die Jugend sicher, die Zukunft, in der sie leben werden, aktiv und nachhaltig mitzugestalten. Hätten Erwachsene die neuen Technologien wirklich so schnell angenommen, wenn die Jugend dem nicht sofort so aufgeschlossen gewesen wäre? Ist es nicht gerade auch die Jugend, die den Erwachsenen mit den Fridays-for-Future-Demonstrationen den Spiegel vorhält, dass wir nicht genug für unseren Planeten tun?

Vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlichen Integration der Jugendlichen in die Erwachsenenwelt ist es noch verständlicher, warum jede Jugendgeneration komplett eigenständig zu betrachten ist. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man das nächste Mal, im Eifer des Gefechts, den Heranwachsenden seine eigene Jugendbiographie vorhält: „Als ich in deinem Alter war…“ ist schnell gesagt, geht aber an der Realität der Jugendgeneration ebenso schnell mal komplett vorbei.

Vier Teenager sitzen draußen auf einer Treppe, lächeln und lachen und schauen auf ihre Smartphones. Sie fangen einen Moment des Sturms und Drangs ein und genießen die Gesellschaft der anderen, lässig gekleidet, mit einer Tür und einem Fenster im Hintergrund.

Die Jugend von heute...

Eines ist – in all der Veränderung – schon seit jeher konstant: das Klagen der „Alten“ über „die Jugend“. Sokrates tat dies schon um 400 v. Chr., ebenso sein Schüler Platon, als er der Jugend entwachsen war, und danach dessen Zögling, Aristoteles. Es scheint, als betrachte jede Generation von Erwachsenen die Jugend als etwas Schlechtes und Bedrohliches.

Dahinter stehen Angst vor Veränderung und Ungewissheit. Wird die Jugend in ihrem Übereifer das zerstören, was meine Generation aufgebaut hat? Zu wissen, woher diese Gefühle kommen, ist beruhigend: Jede Jugend erschafft sich eine eigene Realität, nur so kommen wir als gesamte Gesellschaft voran und verhindern Stillstand. Die Sturm-und-Drang-Jugendlichen werden irgendwann die Erwachsenen der Gesellschaft stellen und dann wiederum von der nächsten Jugendgeneration infrage gestellt. Es ist ein ewiger und bereits sehr alter Kreislauf.

Eine Gruppe von Menschen und ein Hund spazieren gemeinsam auf einem felsigen Pfad in einem bewaldeten, grünen Außenbereich, genießen die Natur, die Gesellschaft des anderen und die Veränderung, die in den natürlichen Lebenszyklen des Lebens zu finden ist.

Auftrag an die Erwachsenen und Eltern

Als Eltern begleiten wir die jungen Menschen auf dem Weg des Erwachsenwerdens. Wichtig ist in dieser abenteuerlichen Zeit, für die Heranwachsenden da zu sein, auf momentane Zurückweisung mit Verständnis und der nötigen emotionalen Distanz zu antworten, das heißt, diese nicht persönlich zu nehmen. Die*der Jugendliche braucht einfach etwas mehr Zeit für sich.

Gleichzeitig ist es wichtig, für Fragen, Ängste, Zweifel und Sorgen weiterhin ansprechbar zu bleiben, und zwar offen, verständnisvoll und immer erreichbar. Konflikte auszuhalten ist nicht leicht. Versachlicht man die Gründe für dieses Verhalten – der Umbau des Gehirns, Abnabelungsprozesse von den Eltern, Neuerungen und Veränderungen als normale Umwälzungsprozesse in unserer Gesellschaft – nimmt man ihnen so den Schrecken und transformiert sie in eine etwas einfacher zu akzeptierende Aufgabe.

Autorin

Anita Schedler

Redakteurin Klösterl-Journal