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Aromatherapie – Die heilende Kraft der Düfte
Pflanzendüfte sind wie Klänge der Musik für unsere Sinne, besagt ein persisches Sprichwort. Und so wie es schwerfällt, eine Melodie mit Worten so zu erfassen, dass eine andere Person sie sofort erkennt, reicht auch unser Wortschatz nicht aus, Düfte zu beschreiben. Ist es nicht wundervoll, dass es eine Welt jenseits der Worte gibt?
Strömt morgens aus einer Bäckerei der köstliche Duft von frisch gebackenem Brot, dann läuft wohl allen Vorbeilaufenden das Wasser im Munde zusammen. Man erinnert sich an eine gemütliche Runde mit der Familie oder im Freundeskreis und verspürt große Lust auf ein zweites Frühstück. Die Fähigkeit zu riechen trägt mit dazu bei, dass der Mensch das Leben genießen kann. Längst hat das Marketing den „Wohlfühlgeruch“ entdeckt und nutzt ihn zum Beispiel in Kaufhäusern, um unsere Kaufentscheidung zu beeinflussen.
Düfte lösen Reaktionen in unserem Gehirn aus
Doch wie kommt es eigentlich, dass feine Gerüche angenehme Gefühle auslösen können? Der Geruchssinn ist neben dem Hören, Sehen, Schmecken und dem Fühlen einer unserer fünf Sinne, mit denen wir die Welt um uns herum wahrnehmen können. In der Schleimhaut von Nase und Rachen befinden sich Rezeptoren, die, sobald sie Gerüche erkennen, Signale über das periphere ins zentrale Nervensystem senden. Diese Signale lösen in weniger als einer Sekunde eine Reaktion im limbischen System aus. In dieser Schaltstelle zwischen den Sinnen und dem Denken werden unter anderem Gefühle, Gedächtnis, Nahrungsaufnahme und Verdauung gesteuert. Hier entfalten Gerüche somit für uns ganz unbewusst ihre vielfältigen Wirkungen.
Jeder Duft hat eine Wirkung
In der Medizin werden mit den ätherischen Ölen pflanzliche Duftstoffe seit Tausenden von Jahren zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Hierbei handelt es sich um komplexe Mischungen zahlreicher Einzelstoffe, die im Unterschied zu den fetten Ölen buchstäblich spurlos verduften können. Eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen ermöglicht somit ein beeindruckend breites Spektrum an Wirkungen.
Treffen ätherische Öle auf die Riechzellen in den Atemwegen, können sie je nach Zusammensetzung ausgehend vom limbischen System unterschiedliche Areale im Gehirn aktivieren. Die Bestandteile der Öle von Jasmin oder Muskatellersalbei lösen beispielsweise Signale aus, die in die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und das Zwischenhirn (Thalamus) geleitet werden. Hier werden daraufhin Botenstoffe ausgeschüttet, die dazu beitragen, dass man sich im Hier und Jetzt rundum wohlfühlt.
Kardamom, Rosmarin oder Zitronengras stimulieren wiederum eine Signalkette, die Areale im Rautenhirn (Rhombencephalon) aktiviert. Sie haben daher einen anregenden Effekt. Lavendel, Kamille, Majoran oder Neroli regen dagegen in den sogenannten Raphe-Kernen des Hirnstamms (Truncus cerebri) die Ausschüttung von Serotonin an, einem Botenstoff, der entspannend und beruhigend wirkt. Studien zeigten, dass die Aromatherapie sogar bei Depressionen zur Linderung der Beschwerden beitragen kann.
Gerade in der dunklen und kalten Jahreszeit schätzen daher viele Menschen das Beduften eines Raumes mit ätherischen Ölen. Meist verwenden sie hierzu Aromalampen oder einen Diffusor. Dieser zerstäubt das in Wasser geträufelte Öl und hat gegenüber einer Aromalampe mit Teelicht den Vorteil, dass die empfindlichen Bestandteile der Öle nicht erwärmt und damit nicht so leicht zerstört werden. Duftsteine sind die umweltfreundlichere Variante mit einem kleineren Radius, in dem die Aromen wahrgenommen werden. Kürzer wirken dagegen Raumsprays. Alternativen zur Anwendung der Öle im gesamten Raum sind Riechtücher, auf die man ein paar Tropfen eines Öls gibt, um gelegentlich daran zu schnuppern.
Eine Mischung für einen stimmungsaufhellenden und zugleich entspannenden Raumduft kann Bergamotte, Grapefruit, Lavendel, Mandarine, Muskatellersalbei, Orange, Rosenextrakt, Weißtanne, Zitrone oder Zitronengras enthalten. Konzentrationsfördernd wirken vor allem Rosmarin, Zitrone und Zitronengras. Geben Sie hierzu jeweils ein bis zwei Tropfen von 3 bis 5 Ölen in die Duftlampe.
Damit uns Gerüche nicht völlig von allen anderen Dingen ablenken, tritt nach kurzer Zeit ein Gewöhnungseffekt ein, sodass man Düfte erst dann wieder wahrnimmt, wenn man einen Raum verlassen hat und in ihn zurückkehrt. Dies erklärt beispielsweise, weshalb Jugendliche ohne das Bedürfnis nach Frischluft stundenlang in ihrem eigenen Mief sitzen können.
Ätherische Öle entfalten ihre Wirkung jedoch auch dann noch, wenn man sie nicht mehr riecht. Daher sollte man sie niemals dauerhaft in einen Raum verdampfen. Andernfalls können Kopfschmerzen oder Übelkeit die unangenehmen Folgen sein. Auch bei Allergien ist vorab zu klären, ob Sie ätherische Öle anwenden können.
Hochwirksame ätherische Öle
Beim Inhalieren gelangen antimikrobiell und entzündungshemmend wirkende Öle wie die Kamille über die Atemwege konzentriert in die Nebenhöhlen und Bronchien, wo sie ihre Wirkung lokal entfalten. Diese Anwendung hat sich bei Husten, Schnupfen und Erkrankungen der Nasennebenhöhlen bewährt.
Gerade in diesem Winter können ätherische Öle, die Viren und Bakterien bekämpfen, einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten leisten. Zu diesen Ölen gehören Kamille, Lavendel, Oregano, Ravintsara, Rosmarin oder Thymian. Geben Sie hierzu jeweils ein bis zwei Tropfen von 3 bis 5 Ölen in die Duftlampe.
Da ätherische Öle fett- und alkohollöslich sind, kann man sie auch zur Herstellung von Einreibungen, Körperölen, Salben, Cremes, Lotionen, Wasch- und Badezusätzen sowie auf feuchten Kompressen für Auflagen, Umschläge oder Wickel verwenden. Auf diese Weise wirken die Öle nicht nur über ihren Duft, sie gelangen auch in den Blutkreislauf. Docken sie dann, wie ein Schlüssel in einem Schloss, an die Bindungsstellen von Zellen (die sogenannten Rezeptoren) an, können sie eine Reaktion im Organismus auslösen. So fördern sie unter anderem die Wundheilung, regen die Durchblutung an, lösen Krämpfe oder lindern Schmerzen.
Zu den ätherischen Ölen mit krampflösenden und schmerzlindernden Eigenschaften gehören zum Beispiel Cajeput, Lavendel, Muskatellersalbei, Rosendestillat, Rosengeranie oder Rosmarin. Werden sie in Johanniskraut- oder Mandelöl gelöst und bei einer verspannten Muskulatur oder einer schmerzhaften Menstruation auf die jeweilige Muskelpartie oder den Unterbauch aufgetragen, lassen die Beschwerden meist unmittelbar nach. Anis, Fenchel, Kreuzkümmel oder Kümmel gehören dagegen zu den ätherischen Ölen, die bei Bauchschmerzen und Blähungen in einem Körperöl zum Einsatz kommen können. Bei einer Blasenentzündung mit häufigem Harndrang hat sich wiederum Eukalyptusöl in Olivenöl als Kompresse auf dem Unterbauch bewährt.
Ebenso können einige ätherische Öle für Mundspülungen gegen Entzündungen oder als Zäpfchen angewendet werden. Letztere werden unter anderem in der Frauenheilkunde bei vaginalen Erkrankungen eingesetzt. Auf diese Weise können sie zur Regeneration der Schleimhäute nach Infektionen aber auch zur Befeuchtung beitragen.
Ätherische Öle in der Akupunktur
Hierzulande weniger bekannt ist die Anwendung von ätherischen Ölen in der Akupunktur. Hier werden die Öle entweder verdünnt oder unverdünnt auf ausgewählte Akupunkturpunkte sanft aufgetragen oder leicht einmassiert. So erfolgt die Stimulation der Punkte nicht durch Nadeln, sondern durch die Öle.
Ätherische Öle können weit über ihren angenehmen Duft hinaus so vielfältig eingesetzt werden, dass man fast meinen sollte, gegen jedes Leiden hält die Natur ein paar Düfte bereit. Die Wirkungen wurden inzwischen vielfach wissenschaftlich bestätigt.
Da ätherische Öle sehr empfindliche Substanzgemische sind, sollte man bei ihrer Auswahl immer darauf achten, dass es sich um reine und hochwertige Produkte handelt. In der Apotheke bekommen Sie auf der Suche nach den für Sie geeigneten Ölen zu Ihren Beschwerden eine ausführliche und kompetente Beratung.
Autorin
Sabine Ritter
Apothekerin und Heilpraktikerin