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Eltern-Sein: Zwischen Fürsorge und Grenzen setzen

Wenn der Schwangerschaftstest positiv ist, stellt das oft das ganze Leben auf den Kopf. Besonders beim ersten Kind gibt es lauter neue Fragen und Themen, mit denen sich die werdenden Eltern beschäftigen müssen. Diese erstrecken sich von den pränatalen Untersuchungen über die Gestaltung des Kinderzimmers bis zur vielleicht schwierigsten Frage nach dem passenden Namen für das Neugeborene.

Neue Prioritäten

Viele Prioritäten verschieben sich ab dem Moment, in dem ein Kind ins Leben tritt. Wo zuvor die wöchentliche Fitnesseinheit und gemütliche Abende im Freundeskreis fest im Kalender standen, treten an deren Stelle das Füttern, Wickeln und auf dem Arm wiegen.

Die Erfüllung der Bedürfnisse des Babys stehen jetzt im Vordergrund, denn es ist auf die ständige Zuwendung seiner Betreuungspersonen angewiesen, um zu überleben. Zwar ist das Neugeborene noch nicht in der Lage auszusprechen, was es gerade braucht, aber es kommuniziert meist sehr klar, ob es gerade Hunger hat, Schlaf braucht oder sich einfach liebevollen Kontakt wünscht. Die Eltern müssen eine völlig neue Sprache lernen, eine, für die es weder Sprachkurse noch Wörterbücher gibt und die bei jedem Kind ganz individuell ist.

Wenn es den Eltern gelingt, die Bedürfnisse des Babys zu erkennen, bekommt es dadurch Sicherheit und Geborgenheit und macht die Erfahrung, dass im richtigen Moment eine Bezugsperson da ist. Damit legen die Eltern den Grundstein für eine gute psychische Gesundheit ihres Kindes.

Bindungsorientiert

Viele Familien legen Wert darauf, die kindlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen, um eine sichere Bindung zu fördern. Ziel einer bindungsorientierten Erziehung ist, dass das Kind eine stabile emotionale Verbindung zu den Bezugspersonen erfährt, Verlässlichkeit und Nähe erlebt und einen sicheren Rahmen, innerhalb dessen die Beziehung sich abspielt. Die Basis dafür ist, dass die Eltern auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren, sie erkennen und beantworten. Das Erkennen von Bedürfnissen bedeutet aber nicht, dass diese immer und sofort zu erfüllen sind. Für Babys, die vor allem Schlaf, Nahrung und Nähe brauchen, mag das zwar noch gelten. Aber spätestens ab dem Kleinkindalter ist es wichtig, zwischen den Bedürfnissen des Kindes und den unterbewusst entwickelten Strategien zu unterscheiden, mit denen sie ihre Bedürfnisse erfüllt bekommen möchten.

Wenn ein Kind z.B. jedes Mal einen Wutanfall bekommt, sobald ihm die Eltern etwas verwehren, wird es vielleicht Wutausbrüche als Strategie beibehalten, wenn als Reaktion darauf seine Wünsche schließlich doch erfüllt werden. Die Eltern können dem Kind dabei helfen, das Bedürfnis herauszufinden, was hinter dem Verhalten steht und dann darauf eingehen. Die Lösung dafür kann jedoch ein ganz anderer Weg sein, als den das Kind sich vorgestellt hatte.

Neben den Bedürfnissen der Kinder dürfen auch die elterlichen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Ein weiser Satz lautet: ‚Aus einem leeren Krug kann man nicht einschenken.‘ Wenn die eigenen Ressourcen erschöpft sind, wie soll man dann für jemand anderen sorgen? Damit es zur Selbstverständlichkeit wird, dass alle Bedürfnisse gleichermaßen vorkommen, kann man schon gegenüber kleinen Menschen immer wieder kommunizieren: „Das brauche ich gerade. Was brauchst du?“

Grenzen setzen

Eine Beziehung bleibt nur dann langfristig gesund und stabil, wenn sie so gestaltet ist, dass das Wohl aller berücksichtigt wird. Es ist erfreulich, dass viele Familien in der Erziehung den Kindern auf Augenhöhe begegnen möchten und bei Entscheidungen alle Familienmitglieder einbezogen werden. Gleichzeitig liegt die Verantwortung für das Wohl der Kinder einzig und allein bei den Erziehungspersonen.

Das bedeutet z.B., dass ein Kind mitentscheiden darf, ob es lieber das eine oder das andere Gemüse essen möchte, aber über die Auswahl, dass nicht nur Süßigkeiten oder Fastfood bereitstehen, bestimmen die Eltern. Gleiches gilt für die Vereinbarung der Schlafenszeiten, den Medienkonsum uvm. Erziehung bedeutet daher auch oft, klare und einhaltbare Grenzen zu setzen und diese verlässlich den Kindern gegenüber zu vertreten.


„Bedürfnisorientierte Erziehung funktioniert nicht ohne persönliche Grenzen. Wer das versucht, landet im Eltern-Burnout.“
Nora Imlau, Journalistin und Buchautorin zu Familienthemen und Elternschaft

Beste Eltern

Viele Eltern geben ihr Bestes, um möglichst alles in der Erziehung richtig zu machen. Dafür lesen sie Ratgeber, durchforsten Elternforen und fragen ihre Freund*innen. Aber manchmal übersehen sie dabei die naheliegendste Entscheidungshilfe, die den Eltern praktischerweise mit dem Kind in die Wiege gelegt wird: die elterliche Intuition.


„Kinder brauchen mehr Freiheiten! Sie sollten nicht nur in der Erwachsenenspur durch den Tag geleitet werden, von einem Programmpunkt zum nächsten.“
Herbert Renz-Polster, Kinderarzt, Erziehungswissenschaftler und Autor

Das eigene Bauchgefühl und auch das der Kinder signalisieren oft sehr deutlich, ob eine Situation stimmig und gut für das Kind ist oder nicht. Wenn der Junior sich in der wöchentlichen Turnstunde nicht wohlfühlt und jedes Mal Bauchweh bekommt oder ein großes Theater macht, wenn es Zeit ist aufzubrechen, dann ist es vielleicht sinnvoller, wenn Eltern und Kind die Stunde stattdessen gemeinsam auf dem Spielplatz verbringen. Oder vielleicht braucht das Kind einfach mal Pause und Ruhe nach einem aufregenden Kindergartentag?

Im Bestreben, das Beste für die Kinder zu bieten, planen manche so ein volles Wochenprogramm, dass die Kleinen schlicht überlastet sind. Gebt den Kindern Zeit für Langeweile und unverplante Zeiten, in denen sie ohne Medienkontakt, dafür mit kreativen Spielsachen und ein paar Büchern um sich herum sein dürfen. Es ist erstaunlich, was sich mit etwas Fantasie und Zeit alles entwickelt und wie die Kinder ihre Ideen entfalten können.

Work-Family-Life-Balance

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt eine große Herausforderung dar, insbesondere bei der Entscheidung über die Elternzeit und die Verteilung der Care-Arbeit. In den meisten Fällen nehmen Mütter etwa 14 Monate Elternzeit, während Väter oft aufgrund finanziellen Drucks und beruflicher Nachteile nur kurz oder gar nicht zu Hause bleiben.

Nach dem ersten Babyjahr bleibt die Frage, wer wie viel Care-Arbeit übernimmt, bestehen. Einige Elternpaare entscheiden sich für eine gleichberechtigte Betreuung, wobei die Aufgaben klar verteilt werden müssen. Andere Modelle sehen vor, dass ein Elternteil hauptverantwortlich für die familiären Angelegenheiten ist, während der andere Vollzeit erwerbstätig ist.

Gleichberechtigung und Wertschätzung

Es gibt keine Musterlösung für das richtige Betreuungsmodell. Wichtig ist, dass die Aufgaben klar geregelt und ihre Wertigkeit anerkannt werden. Unbezahlte Care-Arbeit wird oft nicht so geschätzt wie bezahlte Arbeit, obwohl sie gleichwertig ist. Längere Familienphasen können sich negativ auf die beruflichen Aufstiegschancen und die finanzielle Situation der betreuenden Person auswirken. Daher wäre ein Ausgleich dieser finanziellen Nachteile innerhalb der Familie erstrebenswert.

Der Gender Care Gap, d.h. der Unterschied von geleisteter Sorgearbeit, die Frauen im Vergleich zu Männern mehr tragen, beträgt bei Frauen derzeit knapp 30 Stunden pro Woche im Vergleich zu knapp 21 Stunden bei Männern. Das zeigt, dass Frauen wöchentlich etwa 44% mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer.

Eltern-Sein: Zwischen Fürsorge und Grenzen setzen

Zudem tragen Mütter oft den Großteil der Denk- und Koordinationsarbeit innerhalb der Familie (Mental Load) allein. Selbst in Familien, bei denen beide Elternteile sich die Aufgaben im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung aufteilen, liegt häufig die Hauptverantwortung oft bei den Müttern.

Trotz positiver Veränderungen in Familienmodellen und Erziehungskulturen bleibt auch weiterhin der Wunsch bestehen, dass sich Familien zu Teams entwickeln, in denen alle Mitglieder je nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten mit Freude zum gemeinsamen Wohl beitragen.

Autorin

Cäcilia Wallbrecher

Redakteurin Klösterl-Journal und Embodiment-Coach