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Introvertiert und extrovertiert: Vom Glück, sich selbst zu kennen!
Manchmal sträubt sich alles in mir, wenn ich auf große Veranstaltungen oder Events gehen soll, bei denen ich niemanden kenne. Da frage ich mich, warum bin ich gefühlt so eine Stubenhockerin? Wie machen das eigentlich die anderen? Es scheint, als würde sich in diesem Moment alles in mir dagegen wehren. Von den Begriffen „introvertiert“ und „extrovertiert“ haben die meisten vielleicht schon einmal gehört. Doch was genau bedeuten sie? Gemeint sind damit Persönlichkeitsmerkmale, im Rahmen derer introvertierte Menschen dazu neigen, mehr Energie aus der Ruhe und dem Alleinsein zu schöpfen, während Extrovertierte sich vor allem durch soziale Interaktionen und äußere Reize belebt fühlen. Diese beiden Veranlagungen sind jedoch nicht schwarz-weiß, sondern bilden die Enden eines breiten Spektrums, auf dem sich jede Person mit unterschiedlichen und individuellen Ausprägungen bewegt.
Herkunft und Forschung
Die Begriffe „Introversion“ und „Extraversion“ gehen auf den Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung zurück, der sie in den 1920er-Jahren in seiner analytischen Psychologie prägte. Jung sah diese Merkmale als zwei gegensätzliche Pole der Persönlichkeit. Extrovertierte seien nach außen auf die Welt und andere Menschen gerichtet, während Introvertierte sich eher nach innen wenden und sich auf ihre eigenen Gedanken und Gefühle konzentrieren. Obwohl diese Unterscheidung damals revolutionär war, hatte sie ihren Ursprung in älteren Theorien zur Persönlichkeit, wie denen von Hippokrates oder Galen, die bereits vier Temperamente (cholerisch, melancholisch, sanguinisch, phlegmatisch) beschrieben.
Eine Theorie der modernen Psychologie und Neurowissenschaften besagt, dass Introvertierte eine niedrigere Reizschwelle im Gehirn haben und daher schneller überstimuliert werden, weshalb sie sich immer wieder in ruhigere Umgebungen zurückziehen. Extrovertierte hingegen suchen bewusst nach mehr Reizen, weil sie eine höhere Stimulation benötigen, um sich wohlzufühlen.
Ursprung im Gehirn
Der Unterschied zwischen introvertierten und extrovertierten Menschen hat seinen Ursprung nicht nur in der Prägung durch ihr Umfeld, sondern auch in der Gehirnchemie, insbesondere in der Funktionsweise bestimmter neurochemischer Systeme. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Belohnungssystem des Gehirns, das stark durch den Neurotransmitter Dopamin beeinflusst wird.
Extrovertierte haben demnach eine größere Aktivierung des Dopaminsystems, das mit Belohnung und Vergnügen in Verbindung steht. Soziale Interaktionen oder neue Erfahrungen wirken auf sie deshalb stark belebend und anregend. Introvertierte hingegen haben ein stärkeres Empfinden für innere Reize und sind schneller gesättigt von äußeren Eindrücken. Ihr Gehirn ist oft in den Netzwerken aktiv, die mit Selbstreflexion, Gedankenfluss und dem Fokus auf innere Prozesse in Verbindung stehen.
Diese Unterschiede helfen zu erklären, warum introvertierte Menschen sich in stillen, fokussierten Umgebungen wohler fühlen, während Extrovertierte den Austausch und neue Eindrücke suchen.
Was uns ausmacht
Introvertierte Menschen bevorzugen Einzelaktivitäten, fühlen sich in kleinen Gruppen wohl und führen lieber intime und tiefe Gespräche, statt sich in großen Menschenmengen zu bewegen. Ihre Ruhe und Nachdenklichkeit ermöglichen es ihnen häufig, komplexe Probleme gründlich zu durchdenken.
Extrovertierte Menschen blühen in sozialen Situationen auf. Sie genießen es, in großen Gruppen zu interagieren, sind oft gesellig und haben keine Scheu, neue Leute kennenzulernen. Für sie sind äußere Stimuli wie lebhafte Diskussionen oder das Erkunden unbekannter Umgebungen und sozialer Situationen eine Quelle der Energie.
Ein Spektrum statt Schubladen
Also typisch extrovertierter Partylöwe und kontaktfreudige Plaudertasche auf der einen – und schüchterne Stubenhockerin und zurückgezogener Bücherwurm auf der anderen Seite? Nicht ganz. Neuere Studien legen dar, dass es keine starren „Typen“ gibt, sondern vielmehr Persönlichkeitsdimensionen.
Der sogenannte „Big Five“-Persönlichkeitstest, der Extraversion als eine der fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit beschreibt, zeigt, dass die meisten Menschen weder extrem introvertiert noch extrem extrovertiert sind. Sie befinden sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Daher spricht man von einem Spektrum, welches auch individuelle Nuancen und Ausprägungen ermöglicht.
Manche fühlen sich in quirligen sozialen Situationen wohl, brauchen aber auch Ruhephasen, um Energie zu tanken. Andere sind meist ruhig, blühen jedoch in den richtigen Momenten ganz extrovertiert auf. Die Übergänge zwischen Introvertiertheit und Extrovertiertheit sind fließend und individuell.
Wichtig ist, dass jede und jeder für sich selbst herausfinden kann, was einem guttut, was Energie spendet und wann man Ruhe benötigt, damit man eine gute Balance im Leben findet.
Lernen wir uns besser kennen
Eine der größten Herausforderungen in unserer Gesellschaft, die oft extrovertierte Eigenschaften wie Selbstbewusstsein und Kontaktfreudigkeit fordert, ist es auch die Stärken introvertierter Menschen anzuerkennen und ihre Grenzen zu respektieren. In einer Welt, die oft von Gruppenaktivitäten wie Teamreferaten in der Schule oder im Studium, dem Netzwerken auf Arbeitsevents oder von Familienfeiern geprägt ist, kann es schwierig sein, als introvertierte Person ausreichend Auszeiten fürs Akkuaufladen zu finden. Arbeitgeber, Freunde und Familie können helfen, indem sie individuelle Bedürfnisse anerkennen und Raum für Erholung schaffen, z. B. durch flexible Arbeitsstrukturen oder Rückzugsmöglichkeiten bei großen Veranstaltungen.
Extrovertierte Menschen wiederum profitieren von Gelegenheiten, ihre Energie in soziale und stimulierende Aktivitäten zu investieren. Sie blühen auf, wenn sie in Gruppen arbeiten, sich mit anderen austauschen und in lebendigen Umgebungen agieren können. Auch diese Bedürfnisse müssen gestillt werden, sonst drohen auf lange Sicht Langeweile, Frustration und sogar Vereinsamung.
Weder Introvertiertheit noch Extrovertiertheit ist besser oder schlechter. Beide haben ihre eigenen Stärken. Extrovertierte brillieren in sozialen Situationen, während Introvertierte durch Tiefgründigkeit und innovative Lösungen überzeugen. Es ist heutzutage an der Zeit, das Bild zu korrigieren, dass Extrovertierte automatisch erfolgreicher sind und Introvertierte einfach nur öfter ausgehen sollten – um bloß einige Klischees hier aufzuführen. Beides kann gleichermaßen zum Erfolg führen, je nach Situation und Umgebung. Wenn wir uns selbst besser kennenlernen, dann ist es auch einfacher, unsere Grenzen zu erkennen, unsere Energietanks sinnvoll aufzuladen und das eigene Leben aktiv und nachhaltig danach auszurichten.
Wichtige Selbstfürsorge
Besonders für introvertierte Menschen ist es wichtig, ihre Grenzen zu kennen und diese klar und wertschätzend zu kommunizieren. Es ist absolut legitim, „Nein“ zu sagen, wenn man eine Pause braucht oder Zeit für sich selbst haben möchte. In einem Umfeld, das oft von extrovertiertem Verhalten dominiert wird, kann es hilfreich sein, im Vorfeld darauf hinzuweisen, wie man am besten arbeitet oder was man für sein Wohlbefinden benötigt. Wenn wir wertschätzend und klar unsere Bedürfnisse kommunizieren, dann schaffen wir so bei unserem Gegenüber Verständnis und vermeiden Missverständnisse. Eine Erklärung wie: „Das hier mit dir ist mir sehr wichtig, gerade aber brauche ich jetzt etwas Ruhe und möchte allein sein, um meine Gedanken zu ordnen und neue Energie zu tanken“. Das ist letztlich eine Form der Selbstfürsorge.
Wertvoll
Egal, ob introvertiert oder extrovertiert – jeder Mensch bringt wertvolle Eigenschaften und Fähigkeiten mit. Introvertierte und Extrovertierte ergänzen sich in vielen Bereichen. Die Welt braucht ruhige Denkerinnen genauso wie lebhafte Netzwerker. Diese individuellen Eigenschaften sollten wir in ihrer Einzigartigkeit schätzen und die Stärken in beiden Bereichen fördern. Denn am Ende zählt, dass jeder Mensch so sein darf, wie er ist, und dass wir anerkennen, dass diese Vielfalt unsere Gesellschaft bereichert.
Für mich ist es heute leichter, abzuschätzen, ob mein Energiekonto gerade eine eventuell kräftezehrende Party zulässt. Wenn dem nicht so ist, sage ich ab und schlage stattdessen für einen anderen Zeitpunkt ein individuelles Treffen bei mir zu Hause oder in einem schönen Café vor. Und wenn es mir auf einer Familienfeier zu viel wird, dann ziehe ich mich zurück oder mache einen kleinen Spaziergang. Ich habe meinem Umfeld erklärt, dass dies nichts mit fehlendem Respekt oder gar mit Abweisung zu tun hat, wenn ich mich gerade zurückziehe. Das war ein langer Lernprozess, der viel Erklären und Rückversicherungen bedurfte, aber sich selbst gut kennenzulernen, hat am Ende viel mehr positive Seiten und erleichtert allen Beteiligten das Zusammenleben ungemein.
Autorin
Anita Schedler
Redakteurin Klösterl-Journal