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Stoffwechsel II: Die Grundlage unseres Lebens
In unserem Organismus werden die für seine Funktion unerlässlichen Substanzen aufgebaut und nicht mehr benötigte wieder zerlegt. Hierzu leistet die Leber einen zentralen Beitrag. Sie gewinnt aus Nährstoffen körpereigene Stoffe, die für zahlreiche Funktionen im Körper benötigt werden. Sie bildet Eiweiße und Fette, Bestandteile des Immunsystems und Gallensäuren sowie Cholesterin und andere Ausgangsstoffe für den Aufbau der Hormone. Außerdem speichert die Leber Zucker, Fette, Eiweißbausteine (Aminosäuren) und Vitamine zur späteren Verwendung.
Bei Bedarf baut die Leber körpereigene Substanzen aber auch wieder ab, um sie für den Energiestoffwechsel verfügbar zu machen. Dabei arbeitet der Körper äußerst ressourcenschonend und recycelt die Spaltprodukte des Protein- und Fettstoffwechsels ständig, da sie wertvolle Bausteine und Rohstoffe für die Herstellung zahlreicher Funktionsträger im Organismus sind. So können die Abbauprodukte der Proteine zur Bildung anderer Eiweißverbindungen genutzt werden oder ebenso wie Fette zur Neubildung von Zucker (Glucose) beitragen. Stoffwechselprodukte, die dem Körper schaden könnten, werden dagegen in unschädliche Verbindungen umgewandelt, abtransportiert und mit dem Urin, dem Stuhl, dem Schweiß oder über die Atemluft ausgeschieden.
Neben den geschilderten Speicher-, Synthese- und Abbaufunktionen trägt die Leber zur Blutbildung bei. Unterstützung erhält dieses viel beschäftigte Organ unter anderem durch Kräuter wie den Samen der Mariendistel bzw. dem aus ihnen gewonnenen Silymarin, einem Tee oder einem Extrakt aus den Blättern der Artischocke sowie einem Löwenzahntee.
Aminosäuren und der Proteinstoffwechsel
Körpereigene Eiweiße werden in der Leber aus Aminosäuren gebildet, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Neben Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten sind Kartoffeln, Getreide, Hülsenfrüchte oder Nüsse mögliche pflanzliche Eiweißquellen. Nicht essentielle Aminosäuren (siehe Infokasten) können im Rahmen des Metabolismus zudem aus anderen Aminosäuren, Spaltprodukten der Glucose und aus Fetten gewonnen werden. Dabei unterliegen Eiweiße einem ständigen Auf-, Um- und Abbau im Rahmen des Proteinstoffwechsels. So werden sie durch die sogenannte Proteolyse von speziellen Enzymen, den Proteasen, wieder in ihre Bausteine zerlegt. Diese abgebauten Proteine stammen vor allem aus der Leber und der Milz. Es handelt sich beispielsweise um nicht mehr benötigte Gerinnungsfaktoren oder alte Blutzellen. Die dabei entstehenden Substanzen können zum Aufbau anderer Eiweißverbindungen genutzt werden, sie können aber auch der Energiegewinnung dienen. Dann werden sie unter dem Einfluss von Sauerstoff vollständig zerlegt. Dabei fallen neben Energie Kohlendioxid und Ammoniak an. Während das Kohlendioxid im Blut zur Lunge transportiert wird, wo es abgeatmet wird, wird der Ammoniak in der Leber in Harnstoff umgewandelt, der mit dem Urin ausgeschieden wird.
Essentielle und semi-essentielle Aminosäuren
Einige Bausteine der Eiweiße, die nicht essentiellen Aminosäuren, können aus anderen Aminosäuren gebildet werden. Essentielle Aminosäuren kann der Körper dagegen nicht bilden. Sie müssen deshalb mit der Nahrung oder bei erhöhtem Bedarf in Form von Nahrungsergänzungsmitteln aufgenommen werden. Für den Menschen sind Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin essentiell. Darüber hinaus sind Tyrosin und Cystein unter bestimmten Bedingungen essentiell, wenn etwa für ihre Bildung notwendige Enzyme fehlen. Man bezeichnet sie daher als semi-essentiell.
Unerlässlich für Struktur, Funktion und Transport
Die in der Leber gebildeten Eiweiße leisten einen wichtigen Beitrag zur Körperstruktur, zum Aufrechterhalten der Funktionen des Organismus und zum Transport von Stoffen. Sogenannte Strukturproteine sind beispielsweise am Aufbau jeder Zelle beteiligt. Sie sind insbesondere Teil der Haut, tragen in Form von Kollagen zur Bildung des Bindegewebes bei, sorgen zusammen mit Calciumphosphat für stabile Knochen und sind für die Beweglichkeit der Muskeln mitverantwortlich. Auch Haare und Nägel sowie die Andockstellen der Botenstoffe des Körpers bestehen aus Proteinen.
Als Funktionsproteine können Eiweiße Bausteine von Enzymen sein, die Umwandlungsprozesse im Körper steuern, während sie als Gerinnungsfaktoren sicherstellen, dass sich eine blutende Wunde schnell wieder verschließt. In Form von Antikörpern tragen sie wesentlich zu Arbeit des Immunsystems bei. Darüber hinaus sind Aminosäuren sowohl Teil der Botenstoffe des zentralen Nervensystems (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) als auch der biogenen Amine, die als Vorstufen von Hormonen und weiteren Botenstoffen unzählige Aufgaben im Organismus übernehmen.
Transportproteine sorgen wiederum dafür, dass zahlreiche Stoffe wie Fettsäuren oder Hormone mit dem Blut zu den Organen bewegt werden. Ebenso schleusen Transportproteine nicht nur Nährstoffe sondern auch Arzneimittel in die Zelle hinein, damit sie ihre Wirkung entfalten, und anschließend wieder heraus.
Fettsäuren und Triglyceride als Energiereserve
In der Leber werden neben den Eiweißen auch die körpereigenen Fette gebildet. Im Unterschied zu Proteinen haben diese Fette nur wenige Funktionen. Sie umhüllen als Polster verschiedene Organe. Auch die Membranen, welche alle Zellen umgeben, bestehen aus Fett.
Gleichzeitig dienen Fettreserven als Energiereservoir. Hierzu werden in der Leber Fettsäuren an Glycerin gebunden. Dabei entstehen die sogenannten Triglyceride. Ihre Bestandteile werden mit der Nahrung aufgenommen. Glycerin entsteht aber auch beim Abbau von Glucose.
Um die wasserunlöslichen Lipide durch wässrige Körperflüssigkeiten wie Blutplasma, Lymphe oder die Flüssigkeiten zwischen den Zellen transportieren zu können, werden Fette ebenfalls an Eiweiße gebunden. Die dabei entstehenden Lipoproteine verhalten sich als Emulgator wie ein Spülmittel im Wasser und ermöglichen die Verteilung der Fette und fettlöslichen Vitamine im Körper. Auf diese Weise können ungesättigte Fettsäuren, vor allem die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaen- (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA) aus Fisch, Krill und Algen, zum Beispiel ihren positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf- und Immunsystem entfalten.
Keine Energie ohne Glucose
Glucose ist ein Einfachzucker, der im Körper ein wesentlicher Energie- und Kohlenstofflieferant ist. So ist sie die wichtigste Energiequelle von Muskulatur und Gehirn bzw. Nervensystem. Beim Abbau von Glucose zur Energiegewinnung fallen nebenbei Zwischenprodukte an, die zur Bildung nicht essentieller Aminosäuren weiterverwendet werden können.
Wird der mit der Nahrung aufgenommene Zucker nicht sofort für die Energieversorgung des Organismus benötigt, wird er unter dem Einfluss von aus der Bauchspeicheldrüse freigesetztem Insulin in die Leber- und Muskelzellen aufgenommen und in seine Speicherform, das Glykogen, umgewandelt. Sind die Glykogenspeicher gut gefüllt, wird überschüssige Glucose in Glycerin umgewandelt, das – wie oben bereits erwähnt – zum Aufbau der Fettreserven weiterverwendet werden kann.
Benötigt der Organismus Energie und mangelt es ihm gerade an Glucose aus der Nahrung, greift er wieder auf die Fett- und Glykogenreserven zurück. In einem als Glykogenolyse bezeichneten Vorgang wird Glykogen dann in Glucose zurück verwandelt, das die Muskeln selbst nutzen, während die Leber die Glucose auch anderen Organen zur Verfügung stellt. Diese Umwandlung wird durch Glucagon gesteuert, ein Peptidhormon, das im Proteinstoffwechsel gebildet wird. Es ist ein Gegenspieler von Insulin und erhöht den Blutzuckerspiegel nicht nur durch Abbau von Glykogen, sondern auch durch die körpereigene Synthese von Glucose (Gluconeogenese) in Leber und Nieren. Hierzu nutzt die Leber Bestandteile der Fettreserven (Fettsäuren und Glycerin) sowie Aminosäuren oder Milchsäure, welche im Muskel beim Abbau von Glucose entsteht. Dies sind nur Beispiele für die intensive und vielseitige Nutzung der Bausteine der Nahrung im Körper. Durch eine ausgewogene, abwechslungsreiche und frische Kost erhält der Körper alles, was er hierfür braucht.
Diäten gehen an die Substanz
Intervallfasten und kohlenhydratarme Diäten greifen die Körperreserven an. Indem sie die Zufuhr von Zuckern über die Nahrung vorübergehend oder längerfristig begrenzen, zwingen sie den Organismus, vermehrt auf seine Speicher zurückzugreifen. Allerdings werden auf diese Weise mitunter nicht nur die Glykogen- und Fettspeicher angegriffen, sondern auch die Muskelmasse, nachdem die anderen Bausteine verbraucht wurden.
Protein-, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel eng vernetzt
Wie die Zahnräder in einem gut eingestellten Getriebe greifen diese Prozesse ineinander. Der Organismus gewinnt dabei nicht nur Energie, er kann so auch nahezu alle Substanzen, die er zum Gewährleisten seiner zahlreichen Aufgaben benötigt, herstellen. Es grenzt nahezu an ein Wunder, dass diese Prozesse meist ein Leben lang reibungslos und unbemerkt stattfinden.
Autorin
Sabine Ritter
Apothekerin und Heilpraktikerin