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Gefühle und Emotionen – Die Freude, das Bindungselement

Nachdem wir uns in dieser Reihe bisher besonders mit Gefühlen und Emotionen auseinandergesetzt haben, die in unserer Gesellschaft eher als „negativ“ oder unangenehm wahrgenommen werden – die Wut, die Angst, die Scham und die Trauer – widmen wir uns heute der vorwiegend positiv konnotierten Freude und ihren spannenden Bedeutungen.

Die Freude ist vielseitig und kann in ganz unterschiedlichen Intensivitätsstufen erfahren werden: Wir sind begeistert, euphorisch, ausgelassen, wir sind freudig, glücklich und halten uns den Bauch vor Lachen, sind voller Vorfreude oder „im Flow“, wir sind erleichtert oder einfach nur zufrieden mit unserem Leben. Die Freude kann ein stilles, wohliges Gefühl in der Bauchgegend, eine überschwängliche Umarmung oder ein paar ehrliche Freudentränen sein.

Zwar sind alle Gefühle zuallererst einmal neutral und können sowohl schaden als auch als nützliche Signalgeber für unsere Bedürfnisse fungieren – die Freude fühlt sich, egal wie wir sie wahrnehmen und wie sie sich in unserem Leben gerade zeigt, meist sehr gut an.

Gemeinschaftsbildung

Lange Zeit war der Fokus der Menschheit auf das Überleben fokussiert. Daraus entwickelten wir ein permanent alarmiertes „Katastrophengehirn“, d.h. Gefühle wie z.B. die Angst sorgten dafür, dass wir bei empfundener Gefahr vorsichtiger waren. Noch heute spüren wir diese Effekte, denn in der fälschlichen Annahme, uns so besser schützen zu können, sind wir immer auf der Hut und räumen diesen negativen Gefühlen in unserem Denken mehr Raum ein. Zudem müssen wir Trauer, Scham und Wut in der Regel erst aktiv verarbeiten, damit wir sie ad acta legen können und sie uns nicht mehr so beeinträchtigen; die Freude kann einfach passiv „passieren“, sie kommt und geht. Doch auch die Freude ist in all ihren Spielarten an unserem Überleben beteiligt und erfüllt grundlegende Bedürfnisse für uns Menschen, die ihre Beachtung verdienen: Sie pflegt und ermöglicht uns zwischenmenschliche Bindungen, ein gemeinschaftliches Zusammenleben und persönliche sowie kulturelle Entwicklung.

Lächeln = keine Gefahr

Ein freundlicher Gesichtsausdruck und ein Lächeln signalisieren unserer Umwelt, dass wir entspannt und zugänglich sind und keine Gefahr darstellen; als Reaktion darauf entspannt sich unser Gegenüber ebenso. Besonders Babys und Kleinkinder lächeln die Menschen um sie herum an, um damit die Bindung zu ihnen zu stärken und so die Erfüllung ihrer Bedürfnisse nach Versorgung und Schutz sicherzustellen.

Die Zugänglichkeit und Gefahrlosigkeit, die ein freudiger Mensch ausdrückt, erleichtern auch das Zusammenleben mit anderen Menschen in einer Gruppe, sei es in der Familie, in der Arbeit oder einfach im öffentlichen Raum. Ein freudiges Auftreten signalisiert unserem Gegenüber zudem Wertschätzung. Jemand macht uns beispielsweise ein Kompliment, über das wir uns sichtlich und ehrlich freuen. Die Mimik zum Ausdruck eines Lächelns ist kulturübergreifend gleich. Wir heben durch den Gesichtsmuskel Wangenheber die Mundwinkel und der Augenringmuskel sorgt für die typischen Lachfältchen um die Augen. Den Wangenheber (Musculus zygomaticus) können wir bewusst steuern, den Augenringmuskel (Musculus orbicularis oculi) nicht – das unterscheidet ein echtes von einem falschen Lächeln. Unser Gegenüber nimmt wahr, dass wir uns über das Kompliment freuen und versteht instinktiv, dass wir die Verbindung zu ihr schätzen.

Freude und auch Beziehungen zwischen Menschen erleichterten schon früher die Kooperation und Arbeitsteilung in einer Gruppe und sorgten so für einen evolutionären Vorteil. All dies sicherte das Überleben, denn Bindungen schaffen Verantwortung füreinander und in der Gruppe war der Schutz größer.

Kreativität und Weite

Während Angst und andere unangenehme Emotionen uns oft einen Tunnelblick und eine verengte Fokussierung auf Details verleihen, lassen uns Entspannung, Zufriedenheit und eine tiefe Grundsicherheit (Freude und Sicherheit sind elementar füreinander) kreativ werden und die globalen Zusammenhänge erkennen.

Man wird offener, aufmerksamer, experimentier-, risiko- und lernfreudiger und allgemein interessierter an der Umwelt. Diese aktive Herangehensweise an Herausforderungen lässt uns wachsen und Erfahrungen sammeln, mit welchen wir auch in zukünftigen schwierigen Situationen besser zurechtkommen. Gesamtgesellschaftlich trägt dies ebenso dazu bei, kulturelle Entwicklung möglich zu machen und zu fördern.

Persönlichkeitsentwicklung

Des Weiteren formt die entspannte Zufriedenheit mit sich und der Welt auch die eigene Persönlichkeit. Sind wir überflutet von Angst, bleiben wir stehen in unserer Entwicklung, das Herstellen von Sicherheit steht dann erst einmal an erster Stelle. Sind wir zufrieden und glücklich, genießen und entdecken wir die Welt. Dadurch erfahren wir uns selbst auf vielseitige Weise und formen und bilden unsere Persönlichkeit heraus und weiter.


 

„Ich habe dich zum Fressen gern!“

Dimorphe (auch zweigestaltige) Gefühle = zwei verschiedene Gefühle, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, z.B. Freudentränen (Freude und Trauer), der Drang, die süßen Backen eines Babys zu kneifen (Freude und Aggression) oder frenetisches Lachen, wenn man sich erschrocken hat (Angst und Freude). Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum man manchmal so fühlt. Das ist doch paradox, man will dem süßen Baby ja nicht weh tun! Die Yale-Forscherin Oriana Aragon konnte in einer Experimentanordnung herausfinden, dass dieses Zuviel von einem Gefühl mit dem gegenteiligen Gefühl als Reaktion schneller wieder „ausgeglichen“ wird und wir rascher wieder in ein emotionales Gleichgewicht kommen.


 

Resilienz-Nostalgie und gesunde Freude

Positive Gefühle brennen sich als wohlige Erinnerungen in unser Gedächtnis ein. Immer wieder können wir sie hervorholen und darin schwelgen. Sei es die kindliche Begeisterung und Vorfreude rund um Weihnachten oder Erinnerungen an einen lieben, aber bereits verstorbenen Menschen. Noch Jahre und Jahrzehnte später wirken diese Erlebnisse nach, bilden einen wichtigen Grundstock an Erfahrungen, sind ein untrennbarer Teil unserer Geschichte und bilden ebenso ein Fundament für unsere Resilienz gegenüber den Zeiten, in denen uns das Leben wieder mehr abverlangt.

Zahlreiche Studien konnten inzwischen nachweisen, dass sich Freude, Entspanntheit und Zufriedenheit nachweislich positiv auf unsere Gesundheit und gar unsere Lebenserwartung auswirken. Die Gründe sind vielseitig, vor allem werden durch Freude und andere positive Emotionen die Auswirkungen von Stresssituationen gemindert.

Gleichgewicht der Gefühle

Freude und Zufriedenheit sind in Gefahr, wenn unsere Bedürfnisse nicht mehr erfüllt werden, wenn uns die Grundsicherheit fehlt, beispielsweise aufgrund von Armut, Einsamkeit, Depressionen, Angststörungen oder Trauer. Dann können gutgemeinte Tipps und Ratschläge für ein glücklicheres Leben oft das Gegenteil bewirken und sogar toxisch werden. Wir müssen uns dann vorranging um die eigentlichen Probleme kümmern und uns eventuell auch professionelle Hilfe dafür holen.

Gleichzeitig brauchen wir den Wechsel der Gefühle wie die Natur um uns herum ebenfalls jedes Jahr wieder alle Jahreszeiten durchläuft. Würden wir uns immer nur gut und toll und zufrieden fühlen, würde das ziemlich schnell fad werden. Die Kontraste fehlen, wie auch ein ewiger Sommer uns irgendwann langweilen würde.

Gleichzeitig können überstandene, schwierige Phasen uns stärken, uns wachsen lassen und uns dankbar machen, für die kleinen Freuden im Alltag und die Menschen und die schönen Dinge, die wir in unserem Leben haben. So wie wir uns nach einem dunklen und kalten Winter wieder umso mehr auf die warme Frühlingssonne freuen.

Kleiner Kompass der (gesunden) Gefühlsnavigation

  1. Emotionen wahrnehmen und benennen.
  2. Reflektieren: Was möchte mir dieses Gefühl eigentlich gerade sagen?
  3. Was kann ich jetzt für mich tun? Muss ich an meiner Situation etwas verändern? Wenn ja, was genau?
  4. Nachsichtig mit sich sein: Gefühle fühlen und sich Zeit geben herauszufinden, wo die eigenen Grenzen und Bedürfnisse sind.
  5. Was muss ich eventuell an meine Umwelt kommunizieren?
  6. Sich Hilfe holen, falls nötig.
  7. Gesunder Lebensstil: Sport, ausgewogene Ernährung, Hobbys und soziale Beziehungen pflegen.

Autorin

Anita Schedler

Redakteurin Klösterl-Journal