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Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS)

Mastzellaktivierungssyndrom, kurz MCAS, ist eine Multisystemerkrankung, bei der durch eine Überaktivität der Mastzellen eine unangemessene und übermäßige Ausschüttung an Botenstoffen (Entzündungsmediatoren) erfolgt, die entzündlich-allergische Symptome im ganzen Organismus hervorrufen.

 

Histamin ist wohl der prominenteste entzündungsfördernde Botenstoff des Körpers, da er sowohl mit Allergien als auch mit der Histaminintoleranz (HIT), einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, im Zusammenhang steht. Beim Mastzellaktivierungssyndrom, kurz MCAS, nimmt Histamin ebenfalls eine wichtige Schlüsselrolle ein. Diese Erkrankung erfährt ein immer höheres medizinisches Interesse, da MCAS auch in Verbindung mit Long-Covid auftreten kann.

Mastzellen

Die für die Immunabwehr so wichtigen Mastzellen (MZ) sitzen bevorzugt im Bindegewebe an Grenzflächen, die zur Außenwelt in Kontakt stehen. Dazu gehören alle Einmündungen in Hohlorgane (Mund, Ohren, Augen und Nasenlöcher), die Lunge, der Magen-Darm-Trakt, der Genital- und Analbereich sowie die Blase und die Haut selbst. Eine besonders hohe Dichte an Mastzellen befindet sich an den Füßen und Händen. Im Körperinneren findet man Mastzellen überall dort, wo viel kommuniziert wird, zum Beispiel in der Nähe von Blutgefäßen und an Nervenendigungen, dem Ort für den schnellen Informationsaustausch. Über den ganzen Körper verteilt verlaufen zwei engmaschige Netze, zum einen aus Blutgefäßen, zum anderen aus Nerven, um Stoffwechsel- und Körperfunktionen zu lenken.

Die Mastzellen gehören zu den ältesten Zellen im menschlichen Organismus. Sie werden im Knochenmark gebildet und wandern dann ins Bindegewebe ein. Diese Zellen besitzen die einzigartige Fähigkeit, eine hohe Vielfalt an Signalstoffen (Botenstoffen) zu bilden, diese in Bläschen, den Granula, zu speichern und bei Aktivierung innerhalb von Sekunden freizusetzen (Degranulation). Dabei kann jede MZ steuern, welche speziellen Entzündungsmediatoren ausgeschüttet werden. Nach Aktivierung beginnt die Mastzelle, wiederum andere Botenstoffe zu synthetisieren und auszuschütten.

Die Hauptaufgabe der Mastzellen besteht darin, wie ein Wächter Ausschau nach für den Organismus bedrohlichen Fremdstoffen zu halten. Dazu gehören u.a. Bakterien, Parasiten, Giftstoffe. Bei Erkennen schlagen die MZ Alarm, indem andere Zellen, vor allem Zellen des Immunsystems, aus der Umgebung angelockt werden, um diese körperfremden Partikel unschädlich zu machen.

Aktivierung der Mastzelle

Wie Antennen sitzen an der Oberfläche jeder Mastzelle zahlreiche Rezeptoren (Bindungsstellen). Abhängig von der Lokalisierung der MZ differiert die Oberflächenstruktur und damit die Art der Rezeptoren. Werden diese durch körperschädigende oder den Organismus bedrohende Stoffe (Trigger) besetzt, wird die MZ in den aktiven Zustand versetzt – eher selten findet eine Hemmung der MZ statt.

Die in den Granula der MZ gespeicherten Botenstoffe werden dann in Sekundenschnelle in die Zellzwischenräume des Gewebes ausgeschüttet und wirken direkt im unmittelbaren Umkreis der Mastzelle. Ausgeschüttete extrazelluläre Vesikel, die ebenso Mediatoren enthalten, wandern aus dem Gewebe aus und können auf diese Weise mit weiter entfernten Zellen kommunizieren. Parallel zur Ausschüttung synthetisiert die MZ andere Botenstoffe, die die Entzündung weiter anfeuern.

Botenstoffe und deren physiologische Wirkung

Mehr als 200 Botenstoffe, vorwiegend Entzündungsmediatoren, werden in der Mastzelle gebildet. Sie werden, wie das bereits erwähnte Histamin, in den Granula gespeichert. Werden diese Mediatoren bei „echtem“ Bedarf und in angemessener Menge ausgeschüttet, besetzen sie Rezeptoren anderer Körperzellen und beeinflussen das Immunsystem und den Stoffwechsel positiv.


Physiologische Prozesse ausgelöst durch Botenstoffe der Mastzelle

  • Abwehr von Krankheitserregern
  • Schutz vor Toxinen
  • Einfluss auf das Nervensystem
  • Schmerz- und Stressregulation
  • Regulation des Blutdrucks
  • Wundheilung
  • Neubildung von Blutgefäßen aus bestehenden Blutgefäßen bei der Wundheilung
  • Kontrolle der Darmbewegung

Ein z.B. auf die Nasenschleimhaut gelangter Krankheitserreger aktiviert die dort ansässigen MZ. Zum einen lösen freigesetzte Mediatoren Niesen und Fließschnupfen aus, um den Keim auszuspülen, zum anderen locken sie andere Immunzellen an und aktivieren weitere Mastzellen, um das Notsignal zu verstärken. Die parallel neugebildeten und freigesetzten Entzündungsmediatoren können Fieber und Schmerzen auslösen – Signale, die die erkrankte Person zur Bettruhe zwingen. Die aus den Immunzellen freigesetzten Radikale dienen der Bekämpfung des Krankheitsauslösers. Ist der Infekt abgeklungen, stoppt die MZ-Aktivierung.

Kontrolle der Darmbewegung, Schmerz- und Stressregulation, Wundheilung und Blutdruckregulation sind u.a. weitere Prozesse, die von den Mastzellen gesteuert werden. Zu den wichtigsten Botenstoffen gehören Histamin, Heparin, Prostaglandine, Plättchenaktivierender Faktor (PAF), proinflammatorische (entzündungsfördernde) Zytokine, Leukotriene, Chemokine und Tryptase. Je nach Art, Menge und Ort der Freisetzung unterstützen sie den Kampf gegen Eindringlinge durch z.B. Entzündungsreaktionen, Schleimsekretion, Gefässdurchlässigkeit, Bronchienverengung, Darmentleerung u.v.m..

Mastzellaktivierungssyndrom

Hyperreaktive Mastzellen degranulieren unangemessen auf unterschiedlichste harmlose Reize und Stoffe. Nicht die Anzahl der Mastzellen verändert sich, sondern die Menge, die Dauer, die Intensität und der Zeitpunkt der Freisetzung der Entzündungsmediatoren sind fehlgesteuert. Da MZ ubiquitär im Organismus vorkommen, variiert auch das Krankheitsbild des Mastzellaktivierungssyndroms (MCAS) in seinen Symptomen und Schauplätzen. Episoden mit Symptomfreiheit können sich mit Episoden starker Beschwerden abwechseln; jedes Mal können andere Organsysteme betroffen sein. Die zeitverzögerte Freisetzung mancher Entzündungsmediatoren und deren ausgelöste Symptome lassen kaum einen Rückschluss auf den auslösenden Reiz zu. Während eines schweren Schubs kann die betroffene Person unter Umständen einige Tage nicht am öffentlichen Leben teilnehmen.

Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS)

Trigger

Fühlt sich die MZ bedroht, feuert sie, ohne zu überprüfen, ob der auslösende Faktor (Trigger) tatsächlich dem Organismus schaden kann. Es können Stoffe, aber auch Reize sein. Die zum Beispiel während einer Autofahrt oder bei der Ausübung verschiedener Sportarten entstehenden Vibrationen können sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken.

Für einen Außenstehenden kaum wahrnehmbare Faktoren (z.B. eine Stunde kürzer oder länger schlafen, an der Bushaltestelle neben einer rauchenden Person stehen, Wetterwechsel, etc.) können ein Knock-out-Kriterium sein. Und es kann passieren, dass die an MCAS erkrankte Person den restlichen Tag erschöpft und mit Schmerzen auf dem Sofa verbringen muss.

Histamin

In fast jedem Gewebe des Organismus findet man Histaminrezeptoren, wie z.B. an den Blutgefäßen, Bronchien, im Magen, Darm, Gehirn und Herz. Die meisten typischen Symptome des MCAS lassen sich allein durch die Besetzung der Histaminrezeptoren erklären. Abgebaut wird Histamin über zwei Enzyme: die Diaminoxidase in Darm, Gewebe und Blut, kurz DAO, und die N-Methyltransferase in der Leber und im Gehirn. Erschöpft sich die Kapazität der enzymatischen Abbauwege, reichert sich zu viel Histamin im Bindegewebe an und kann die entzündlichen Prozesse weiter anschieben. Histamin steuert unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus. Daher können erhöhte Spiegel in der Nacht Schlaflosigkeit verursachen.

Abgrenzung MCAS zu Allergie und Histaminunverträglichkeit

Histamin wird nicht nur im Körper gebildet, es wird auch über die Nahrung zugeführt. Teilweise können Nahrungsbestandteile die Histaminfreisetzung im Darm verstärken (Histaminliberatoren). Auch histaminfreisetzende Darmbakterien können den Histaminspiegel im Darm erhöhen. Reicht die DAO nicht aus, verbleibt das Histamin im Darm und löst Unverträglichkeitsreaktionen aus, wie zum Beispiel Bauchschmerzen, -krämpfe und Durchfall. Ist der Darm dauerhaft entzündet, kann die Darmbarriere durchlässig werden. Ungewollt in die Blutbahn aufgenommene Nahrungsbestandteile können, müssen es aber nicht, systemisch Mastzellen aktivieren und ein MCAS hervorrufen.

Ein allergieauslösender Stoff wird an Antikörper gebunden, die wiederum einen Rezeptor auf der Mastzelloberfläche finden und die MZ aktivieren. Eine Allergie kann eine Ursache für eine Mastzellaktivierung sein. Durch einen Allergietest, Allergenkarenz und antiallergische Arzneimittel lässt sich die Symptomatik verbessern. Zusammengefasst ist eine Allergie eine spezielle Form der Mastzellaktivierung – eine Histaminintoleranz dagegen nicht. Beide können, müssen es aber nicht, eine systemische Mastzellaktivierung verstärken bzw. sie begünstigen.

Diagnostik

Da die Mastzellen sich nicht im Blut befinden, ist deren Aktivität nicht direkt messbar. Stattdessen weist man die Entzündungsmediatoren sowohl im Blut als auch im Stuhl nach. Histamin tritt nur dann aus dem Gewebe ins Blut über, wenn die abbauenden Enzyme erschöpft sind. Über Ausschlussverfahren wird der Ursache auf den Grund gegangen. Ist es eventuell ein Darmparasit oder eine Infektion, die die Symptomatik auslösen? Mit einem Allergietest, bei dem auf fast 300 Allergene untersucht werden kann, ist es möglich, die Ursache der Mastzellaktivierung eventuell einzugrenzen. Mit einem erfahrenen Therapeuten kann man in Erfahrung bringen, ob es sich tatsächlich um ein Mastzellaktivierungssyndrom handelt.

Therapieansätze

Sehr vielen Triggern kann man durch Karenz Herr werden, aber leider nicht allen. Mit Führen eines Symptomtagebuchs – Auftreten der Symptome in Art mit Zeit- und Ortsangabe plus mögliche auslösende Trigger – kann man in detektivischer Kleinstarbeit seine persönlichen Trigger herausfinden und den Lebensstil dementsprechend anpassen. Eine starke Einschränkung der Nahrungsmittelauswahl löst das Problem nicht, da dann ein Nährstoffmangel droht. Bei einem Schub, egal wie er ausgelöst wird, feuern die Mastzellen auf jeden Fall erstmal weiter. Sinnvoll ist eine histaminarme und mastzellenfreundliche und damit antientzündliche Ernährung. Zusätzliche Nährstoffe, wie zum Beispiel Quercetin, die Vitamine C und D sowie auch pharmazeutische Wirkstoffe können die MZ stabilisieren sowie die Histamin-Rezeptoren im Gewebe blockieren. Kupfer und Vitamin B6 unterstützen die Bildung der DAO, S-Adenosylmethionin die des Enzyms N-Methyltransferase. Eine Darmsanierung stabilisiert die Darmbarriere und stärkt das Immunsystem. Hier unterstützen nicht-histaminfreisetzende Mikrobiotika.

Fluch und Segen

Der Wunsch, bei dieser Erkrankung die Mastzellen komplett auszuschalten, ist verständlich. Ein Leben ohne Mastzellen ist jedoch nicht möglich. Als Wächter des Immunsystems reagieren sie schnell, schützen vor akuten Infektionen und kämpfen gegen den erneuten Ausbruch chronischer Infektionen, ausgelöst z.B. durch schlummernde Herpes- oder Epstein-Barr-Viren (Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers).

Die Selbsthilfegruppe MCAS Hope e.V. hilft über Erfahrungsaustausch, die Krankheit besser zu verstehen. Darüber hinaus setzt sich MCAS Hope e.V. dafür ein, dass MCAS als Krankheitsbild anerkannt und die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisiert wird. Gutes Fachwissen, Akzeptanz des besonderen Lebensstils und Optimismus können beruhigend auf die überaktiven Mastzellen wirken.

Autorin

Bettina Wadewitz

Apothekerin